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GELD IST EINE BEHAUPTUNG von Matthias Reichelt

Zur Idee eines Finanzmuseums
Die von Hans Winkler konzipierte Ausstellung „Mit Geld spielt man nicht“ greift ironisch die systemische und fast schon religiöse Verehrung und gar Vergötterung des von Menschen erfundenen Äquivalents auf und erinnert gleichzeitig an das Gebaren der Spekulanten, die international Summen wie auf dem Tisch eines Casinos bewegen und verschieben.
Eine ganze Schicht an Bankern, Brokern, Finanz- und Anlageberatern tarnen das Unseriöse der Branche und versuchen uns auf allen Kanälen zu ködern. Dabei wird schon mal aus dem Objekt der Begierde das Subjekt, wenn dem Verbraucher kumpelhaft empfohlen wird „Lass dein Geld für dich arbeiten!“ (1) Die Bedeutung und die existenzielle Notwendigkeit der Branche wird dann aber mit „Wir machen mehr aus Ihrem Geld“ behauptet. Diese Behauptung griffen Hans Winkler, Peter Kees und Uwe Jonas für ein künstlerisches Konzept auf, um es subversiv zu wandeln und in die Tat umzusetzen.
Unter diesem Versprechen nahm das Trio internationale Banknoten im ungefähren Wert von 50 € entgegen, um sie künstlerisch zu bearbeiten. Das geschah mit strengem Blick auf das im Kunstmarkt herrschende Prinzip, dass alleine das Unikat ein Leistungsversprechen enthält und mit einzigartigen Wertsteigerungen winkt und zudem den Besitzer adelt und aus der gesichtslosen Masse der Sammler emporhebt. Das Trio unterzog jede eingereichte massenhaft und industriell hergestellte Banknote einer Behandlung mit Säure, die ganze Arbeit leistete und der Note einen einzigartigen Charakter verlieh. Ein dadaistischer Akt, der mit „Zerstörung“ Kunstcharakter produzierte und subversiv an die zerstörerische Gewalt kapitalistischer Finanzströme erinnert.

 

„Wir machen mehr aus Ihrem Geld“ Jonas, Kees, Winkler


Wer über eine Email-Adresse verfügt, wird oft täglich mit Geldmehrungsangeboten belästigt. Die Fakten hinter den Glück und Erfolg versprechenden Behauptungen bleiben dabei immer im Unklaren. Transparenz ist keine Eigenschaft, die Banken und Finanzinstitute besonders pflegen.   
Hans Winklers Kunst basierte schon immer auf einer Auseinandersetzung mit Geschichte und Politik, deren Kapriolen und Farcen er mit Installationen, Performances, Fotografien und Skulpturen beleuchtet. Auf der Basis von „Mit Geld spielt man nicht“ entwickelt er sukzessive ein virtuelles Finanzmuseum.
Glaubten wir der Umgangssprache, so wäre das Geld selbst Subjekt und verfügte über eine Arbeitskraft, die es täglich zu Markte trägt und damit Mehrwert produziert.
Geld ist jedoch nichts anderes als die verdinglichte Äquivalenzform des Tauschwertes, es ist der Schmierstoff der Märkte, der aber auch für politisches und kriminelles Wohlverhalten zu sorgen vermag, Abhängigkeiten schafft und regelt und in der Akkumulation auch Symbol für den entsprechenden Einfluss ist.

„Das Geld ist daher andererseits auch die verkörperlichte Form des Reichtums gegenüber all den besonderen Substanzen, aus denen er besteht. … Der Reichtum (Tauschwert als Totalität sowohl wie Abstraktion) existiert also erst, mit Ausschluss aller anderen Waren, als solcher individualisiert im Gold und Silber, als ein einzelner handgreiflicher Gegenstand. Das Geld ist daher der Gott unter den Waren.“ (2)

Durch die Lösung des Geldwertes 1973 von der Goldbindung, die eine internationale Konvertierbarkeit der Währungen von kapitalistischen Staaten garantierte und den Dollar aufgrund eines definierten Verhältnisses zum Gold als Leitwährung festlegte, ist ein fragiles System entstanden, das durch ständige Interventionen von Zentralbanken reguliert werden muss.

„Die Öffnung der Finanzmärkte hat also nicht nur dazu beigetragen, dass man leichter an Geld gelangen kann; Staaten und Unternehmen sind zugleich neuen, viel ernsteren Bedrohungen ausgesetzt. Arthur F. Burns, der US-Notenbankchef unter Nixon, sah diese Gefahr schon vor vier Jahrzehnten. Die Liberalisierung der Finanzmärkte, warnte er damals, ‚werde mit Sicherheit viel Elend über die Menschheit bringen‘“. (3)



Spekulationen wurden mittels digitaler Technik fast in Echtzeit mit nur Bruchteilen von Sekunden Verzögerungen möglich und Geldtransfer und Aktienverkäufe können über den ganzen Globus rasend schnell abgewickelt werden. Der Ostblock als einzige Zone, die der wilden Spekulation und der unmittelbaren Macht des Kapitalismus entzogen, aber natürlich dennoch mittelbar betroffen war, verschwand sang- und klanglos im letzten Jahrzehnt des vorherigen Jahrhunderts.
Nach dem Untergang des „real existierenden Sozialismus“ ließen die Apologeten des Kapitalismus ihre Fanfaren schmettern. Francis Fukuyama, politologischer Bruder im Geiste des neoliberalen Ökonomen Milton Friedman, und ebenso wie dieser, ein Advokat des ungebremsten Wirtschaftsliberalismus, erkannte 1992 das Ende der Geschichte. Der den gesamten Globus beherrschende Kapitalismus wurde als das letztlich bestimmende System der Menschheit begriffen und die Zeitschrift Merkur widmete 2003 unter der eher rhetorisch verstandenen Frage „Kapitalismus oder Barbarei?“ einen ganzen Band der Apologie des Kapitalismus.
Der letzte Finanzcrash 2008 und die zunehmenden Anzeichen einer tiefen und die Weltwirtschaft erfassenden Krise hat die Verfechter des „freien Marktes“ und des Kapitalismus etwas vorsichtiger werden lassen und ganz neue Kritiker auf den Plan gerufen. Darunter auch Autoren und Intellektuelle, die zuvor eher als Gegner einer antikapitalistischen Linken bekannt waren. So offenbarte der erzkonservative Kolumnist des britischen Daily Telegraph und Margret Thatcher-Biograf Charles Moore „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat (4), dem sich nur ein paar Wochen später der Herausgeber der über jeglichen Linksverdacht erhabenen Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, 2011 anschloss. In seinem aufsehenerregenden Artikel führte er weiter aus:  

„Ein Jahrzehnt enthemmter Finanzmarktökonomie entpuppt sich als das erfolgreichste Resozialisierungsprogramm linker Gesellschaftskritik. So abgewirtschaftet sie schien, sie ist nicht nur wieder da, sie wird auch gebraucht. Die Krise der sogenannten bürgerlichen Politik, einer Politik, die das Wort Bürgertum so gekidnappt hat wie einst der Kommunismus den Proletarier, entwickelt sich zur Selbstbewusstseinskrise des politischen Konservatismus.
Realpolitik und Pragmatismus verdecken die gähnende Leere, und die Entschuldigung, Fehler machten ja auch die anderen, ist das Pfeifen im Walde. Aber es geht heute nicht allein um falsches oder richtiges politisches Handeln. Es geht darum, dass die Praxis dieser Politik wie in einem Echtzeitexperiment nicht nur belegt, dass die gegenwärtige ‚bürgerliche‛ Politik falsch ist, sondern, viel erstaunlicher, dass die Annahmen ihrer größten Gegner richtig sind.“ (5)

Seitdem wurden wir mit den Panama Papers und den Paradies Papers konfrontiert und bekamen dazu die absonderlichsten Geschichten serviert:

„In der brasilianischen Küstenstadt Salvador entdeckt die Polizei in der leeren Wohnung eines früheren Ministers Bargeld in unfassbarer Menge, verstaut in Koffern und Kartons. Die Polizei will das Geld zählen, aber irgendwann ist klar: Es ist einfach zu viel. Also besorgt jemand Geldzählmaschinen, sieben Stück. Die Maschinen laufen, flappflappflapp, die ganze Nacht. Nach 14 Stunden bleibt die letzte Maschine stehen. Am Ende sind es 13 Millionen Euro – Frucht der Korruption, die größte Menge Bargeld, die je im Land beschlagnahmt wurde. Als man von dieser Geschichte hörte, war man erleichtert, dass es in Europa nicht ganz so wild zugeht.“ (6)

Für die Kunst, deren Wert sich ebenso in Geld ausdrückt und dadurch die Marktposition bestimmt wird, war das Phänomen Geld immer eine große Herausforderung gewesen, der sich immer wieder aufs Neue namhafte Künstlerinnen und Künstler gestellt haben, für die hier stellvertretend Bertolt Brecht stehen soll:

Vom Geld (7)


Ich will dich nicht zur Arbeit verführen.
Der Mensch ist zur Arbeit nicht gemacht.
Aber das Geld, um das sollst du dich rühren!
Das Geld ist gut. Auf das Geld gib acht!


Die Menschen fangen einander mit Schlingen.
Groß ist die Bösheit der Welt.
Darum sollst du dir Geld erringen
Denn größer ist ihre Liebe zum Geld.


Hast du Geld, hängen alle an dir wie Zecken:
Wir kennen dich wie das Sonnenlicht.
Ohne Geld müssen dich deine Kinder verstecken
Und müssen sagen, sie kennen dich nicht.


Hast du Geld, musst du dich nicht beugen!
Ohne Geld erwirbst du keinen Ruhm.
Das Geld stellt dir die großen Zeugen.
Geld ist Wahrheit. Geld ist Heldentum.


Was dein Weib dir sagt, das sollst du ihr glauben.
Aber komme nicht ohne Geld zu ihr:
Ohne Geld wirst du sie um deiner berauben
Ohne Geld bleibt bei dir nur das unvernünftige Tier.


Dem Geld erweisen die Menschen Ehren.
Das Geld wird über Gott gestellt.
Willst du deinem Feind die Ruhe im Grab verwehren
Schreibe auf seinen Stein: Hier ruht Geld.

Hans Winkler zeigt die brutale Wahrheit der Geld- und Reichtumsverteilung durch schlichte Zahlen, die von der britischen NGO Oxfam veröffentlicht wurde:
1 % der Menschheit besitzt mehr als der Rest von 99 %.
Das Einkommen der ärmsten 10 % der Menschheit stieg zwischen 1988 und 2011 um weniger als 3 $, während das Einkommen der reichsten 1 % um das 182-fache anstieg.
Dies sind nur zwei Beispiele dieser bizarren und zynischen Realität des Kapitalismus, die als bedauerliche aber irgendwie auch als unabänderliche und schicksalhafte Wirklichkeit „verkauft“ wird.
In der Finanzwelt herrscht ein zynischer kalter und technokratischer Ton, dessen Vokabular Baisse, Hausse, Renditen, Dividenden, Derivate, Kredite, Kredittilgung und Verzinsung umfasst und ganze Volkswirtschaften ins Elend stürzen kann.
Denn wie sich mit der Kraft der Zerstörung Profit machen lässt, zeigt die Rüstungsindustrie, deren Absatz mit jedem Krieg, egal wo auf der Welt, steigt. Tötung und Zerstörung ist auch jenseits lukrativer Wiederaufbaumaßnahmen in der Nachkriegszeit profitabel. In den USA funktioniert das bestens auch auf Landesebene, wie die guten Absätze von Handfeuerwaffen zeigen. Darüber hinaus ist Sicherheit eine Dienstleistung, mit der nicht nur die Kriegsführung neben regulären Armeen privatisiert wird und auch auf die nationalen Gefängnisse ausgeweitet wird.

White collar-Kriminalität könnte dieses Business in vielen Fällen treffend genannt werden. Hinter Gitter gelangen fast nie die großen Spekulanten, dagegen jedoch die „kleinen“ Bankräuber.

Steal a little and they throw you in jail
Steal a lot and they make you king (8)

Einer mit Stil, Charme und Bildung ist Ludwig Lugmeier, dem zweimal lukrative Überfälle auf Geldtransporter in München 1972 und in Frankfurt/M. gelangen. Nach seiner Verhaftung entkam er mit einer spektakulären Flucht aus dem Gerichtssaal in Frankfurt/M., wurde jedoch wieder geschnappt und saß 1977–1989 im Gefängnis, wo er seine literarische Karriere begann. Hans Winkler führte mit Lugmeier ein erhellendes Interview über Geld und Reichtum.

 

LINK: LUDWIG LUGMEIER INTERVIEW, Schriftsteller und Bankräuber, Berlin 2016


Ein besonderer Coup gelang einer Bande im März 2017 im Bode-Museum in Berlin. Aus einer Ausstellung stahl sie die im Durchmesser 53 cm große „Big Maple Leaf“ mit dem geprägten Profil der britischen Königin Elizabeth und einem Gewicht von 100 Kilo. Bislang wurde sie nicht gefunden und es wird vermutet, dass die Münze mit einem Goldwert von 3,74 Millionen € längst eingeschmolzen und in handlichere Formate gepresst wurde. Hans Winklers täuschend echte Replik, in Originalgröße und in einer Vitrine geschützt, enthält – von hinten deutlich sichtbar – einen hölzernen Kern, wirkt aber dennoch so echt, dass bereits Anfragen von Museen vorliegen, die Münze auszustellen.


Am Beispiel der jährlichen Schecks über $ 4085, die die USA für die Pacht des Geländes in der Guantanamo Bucht ausstellt, die aber seit der kubanischen Revolution 1959 nicht eingelöst werden, wird die Wirkung kolonialistischer Verhältnisse bis in die Gegenwart hinein gezeigt. Die Pacht geht auf einen Vertrag zurück, den die USA Kuba 1903 nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg aufgezwungen haben. Seit 1959 bestreitet Kuba die Rechtmäßigkeit des Vertrages, muss sich aber dem Recht des Stärkeren beugen. Mit großer Souveränität und Hartnäckigkeit reagiert die kubanische Regierung im Rahmen ihrer Möglichkeit auf einen kolonialistischen Anachronismus und beweist, dass Würde nicht käuflich ist.

 

1) http://finanz-traum.de/lass-dein-geld-arbeiten/

2) Marx-Engels-Gesamtausgabe: Zweite Abteilung „Das Kapital“ und Vorarbeiten, Bd I, Ökonomische Manuskripte 1857/58, Heft II, S.145/146, MEGA Bd. http://telota.bbaw.de/mega/#

3) Ulrich Schäfer: „Startschuss für Casino Royale", in: Süddeutsche Zeitung vom 28./29. Juli 2012.

6) Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Nicolas Richter: Paradise Papers
Asozial? Egal! SZ, 11.11.2017, http://sz.de/1.3744824  [zuletzt abgerufen 20.02.2018]

7) Bertolt Brecht: Die Gedichte. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag 1981, S. 303.

8) Bob Dylan: Sweetheart like you; 1983 Special Rider Music.